Die Auswirkungen der Umsatzsteuersenkung

Am 03.06.2020 wurde das Konjunkturpaket zur Abmilderung der wirtschaftlichen Effekte der Corona-Pandemie beschlossen. Mit Datum vom 12.06.2020 hat das Bundesministerium der Finanzen jetzt auch einen Entwurf eines Anwendungsschreibens erlassen, welches die wichtigsten Themen in der praktischen Handhabung aufgreift. Einige grundlegende Fälle haben wir hier zusammengefasst:


Grundsatz der Leistungsausführung

Bei Lieferungen und sonstigen Leistungen stellt sich in diesem Jahr besonders die Frage, ob diese mit 16 % oder 19 %, respektive 5 % oder 7 % abgerechnet werden müssen. Hierbei ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Leistungs-Ausführung abzustellen. Es kommt nicht darauf an, wann der zugrunde liegende Vertrag geschlossen wurde, wann die Rechnung fakturiert oder die Zahlung vereinnahmt wurde. Der Zeitpunkt der Leistungsausführung entscheidet alleine darüber, welcher Steuersatz anzuwenden ist. Dies gilt sogar im Falle der Ist-Versteuerung (Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten).

Beispiel:
Kunde A (Verbraucher) bestellt am 30.06.2020 einen Artikel (Regel-Steuersatz) im Online-Shop des B. Dieser versendet den Artikel am 02.07.2020 und legt die Rechnung vom gleichen Tag bei. Der Artikel wird am 04.07.2020 dem A geliefert. Mit welchem Steuersatz ist die Lieferung zu bemessen?
Die Lieferung wird im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht, also im Zeitpunkt der Übereignung des Gegenstands, bewirkt. Der Gegenstand wird mit Übergabe des Artikels beim A am 04.07.2020 übereignet. Es ist somit der neue Steuersatz von 16 % anzuwenden. Wann A und B den Vertrag geschlossen haben oder auf welchen Zeitpunkt die Rechnung datiert, ist irrelevant.

Anzahlungen

Das Umsatzsteuerrecht definiert Anzahlungen als Entgeltvereinnahmungen vor (abschließender) Leistungs-Ausführung. Anzahlungen spielen sich damit auf der Ebene der Kaufpreiszahlung ab und berühren die Leistungs-Ausführung nicht. Folglich wird auch bei Anzahlungen nicht auf den Zahlungszeitpunkt, sondern auf den Zeitpunkt der Ausführung der zugrunde liegenden Leistungen für die Bemessung des Steuersatzes abgestellt.

Dies führt in der Praxis zu einer Reihe von Problemen bei der Ausstellung von Schluss- oder (End-)abrechnungen. Die nachfolgenden Beispiele sollen eine Unterstützung für die Fakturierung bieten:

Beispiel:
Unternehmer A stellt am 31.10.2020 eine Bauleistung für seinen Kunden B fertig. Über die Bauleistung von insgesamt EUR 100.000 netto hat er am 30.04.2020 bereits eine Abschlags-Rechnung von EUR 60.000 netto zzgl. einer Umsatzsteuer von 19 % (= EUR 11.400) ausgestellt und auch vereinnahmt. Mit welchem Steuersatz ist die Bauleistung abzurechnen und was passiert mit der Abschlags-Rechnung?
Da die Leistung am 31.10.2020 ausgeführt wurde, ist sie insgesamt mit dem Steuersatz von 16 % abzurechnen (EUR 116.000 brutto). Die bisherige Abschlags-Rechnung ist in der Schlussrechnung inklusive des damaligen Umsatzsteuerbetrags offen abzusetzen. In der End-Rechnung gleicht sich dadurch die in der Abschlags-Rechnung zu hoch ausgewiesene Steuer wieder aus.

               Nettobetrag                                                   EUR 100.000    zzgl. Umsatzsteuer 16 %               EUR 16.000

./.            Abschlagsrechnung vom 30.04.2020           EUR 60.000                                                             EUR 11.400

=             Restbetrag                                                    EUR 40.000                                                             EUR 4.600

Im umgekehrten Fall, dass eine Abschlags-Rechnung im Zeitraum vom 01.07.2020 – 31.12.2020 für eine Leistung danach gestellt wird, ist der Vorgang entsprechend umzukehren. Die in der Abschlags-Rechnung zu niedrig ausgewiesene Umsatzsteuer wird dadurch faktisch nach erhoben.

Hinweis

Ist absehbar, dass die Steuersätze im Zeitpunkt der Anzahlung und der späteren Leistung-Ausführung voneinander abweichen werden, kann der Steuersatz im Zeitpunkt der Leistungs-Ausführung auch schon bei der Anzahlung berücksichtigt werden.

Beispiel:
Unternehmer A stellt zum 30.11.2020 eine Abschlagsrechnung über EUR 40.000 netto aus. Die Leistung wird aber offenkundig erst in 2021 vollständig ausgeführt. A hat nun die Möglichkeit, bereits im November 2020 die Rechnung mit dem in 2021 geltenden Steuersatz von 19 % abzurechnen.

Beispiel:
Bauunternehmer A vereinbart mit Kunde B den Bau eines Mehrfamilien-Hauses. Ein gesondertes Entgelt für die einzelnen Bauleistungen wurde nicht vereinbart. A beendet die Rohbau-Arbeiten im zweiten Halbjahr 2020. Das Gebäude selbst wird in 2021 bezugsfertig.
Es liegen keine Teilleistungen vor, da das Entgelt für die einzelnen Leistungen nicht gesondert vereinbart wurde. Es gilt somit der Steuersatz von 19 % bei Fertigstellung des Gesamt-Gebäudes im Jahr 2021. Sofern dennoch Abschläge in 2020 vereinnahmt werden, handelt es sich um Anzahlungen, die keine Auswirkungen auf den Steuersatz der Gesamtleistung entfalten.
In diesem Falle wäre es möglicherweise sinnvoll gewesen, eine Teilleistung zu vereinbaren und nach der Ausführung abzunehmen. In diesem Falle wäre der reduzierte USt-Satz von 16 % anwendbar.

Teilleistungen

Teilleistungen sind wirtschaftlich abgrenzbare Teile einer einheitlichen Leistung (BMF-Schreiben Rd-Nr. 20). Wurden in einem Vertrag bestimmte Teilleistungen vereinbart und diese (Teil-)Leistung abgenommen bzw. vollendet, ist der in diesem Zeitpunkt gültige Steuersatz anzuwenden.

Gutscheine

Seit dem 01.01.2019 werden Gutscheine insoweit unterschieden, ob es sich um Einzweck- oder Mehrzweck-Gutscheine handelt. Bei Einzweck-Gutscheinen ist der Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins für den Steuersatz maßgeblich – also die tatsächliche Lieferung oder Leistungserbringung nicht mehr relevant. Bei Mehrzweck-Gutscheinen kommt es darauf an, wann die Leistung ausgeführt wird, für die der Gutschein eingelöst wird.

Bei möglichen Erstattungen in 2020 stellt sich zusätzlich die Frage, welcher Steuersatz anzuwenden ist. Nach dem BMF-Schreiben (Rd-Nr. 28) können Gutscheine, die in der Zeit vom 01.07.2020 bis zum 31.08.2020 erstattet werden, mit dem Steuersatz von 19 % berichtigt werden. Bei der Erstattung von Gutscheinen nach dem 31.08.2020 ist die Umsatzsteuer mit 16 % zu berichtigen.

Die vorstehenden Ausführungen sind mit größter Sorgfalt und nach bestem Wissen und Kenntnisstand verfasst worden. Es handelt sich nicht um eine abschließende und vollständige Darstellung und ersetzt nicht die Beratung im Einzelfall. Eine Haftung für den Inhalt kann daher nicht übernommen werden.

Gerne beraten wir Sie zu diesen und anderen Themen.